Zwischen Dürre und Starkregen - Wasser unter Druck

Expedition: Klima und Wasser im Wandel
Projektname: CliWaC

Der Klimawandel bringt den Wasserhaushalt aus dem Lot - das macht sich auch in der Region Berlin-Brandenburg bemerkbar. Fehlende Niederschläge lassen die Wasserpegel von Flüssen und Seen sinken, gefährden Schifffahrt, Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung. Bei Starkregen treten Flüsse über die Ufer, wird fruchtbarer Boden fortgeschwemmt und werden Keller geflutet. Wie gehen wir künftig mit diesen Herausforderungen um und wie managen wir den Wasserhaushalt, um möglichst alle Bedürfnisse zu erfüllen? Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt CliWaC.

Wasser ist lebensnotwendig und wird vielfältig genutzt. Werden wir auch in den kommenden Jahrzehnten ausreichend davon haben?

(© Falk Weiß)

„Für viele Menschen ist Wasser lediglich etwas, das aus dem Hahn kommt, wenn man es braucht. Aber es ist so viel mehr. Das müssen wir erst wieder lernen.“ Der Anthropologe Jörg Niewöhner schaut ernst, als er diese Sätze sagt. Und das zu Recht, denn die Lage ist ernst: Wasser ist eine lebenswichtige Ressource, ohne die nichts geht, um die man sich Gedanken machen muss, die auch knapp werden kann. So gerade zu beobachten in den meisten Teilen Europas. Im Zuge des Klimawandels wird sich dieser Mangel mit hoher Wahrscheinlichkeit noch extrem verschärfen.

Wälder brennen, Felder und Wiesen verdorren

„Wir hatten sehr trockene Sommer und Winter in Berlin und Brandenburg und nun regnet es auch in diesem Jahr kaum“, beschreibt der Professor vom Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin die Lage. Stattdessen brennen Wälder, Felder und Wiesen verdorren. Wie können Gesellschaften lernen, mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen? Um dieses Thema dreht sich ein groß angelegtes Forschungsprojekt: die Einstein Research Unit CliWaC, kurz für Climate and Water under Change (Klima und Wasser im Wandel). Berlin-Brandenburg dient als Modellregion, in der zu Risiken von veränderten Wasserhaushalten und Handlungsmöglichkeiten geforscht wird.

Sechs Millionen Euro Förderung für zunächst drei Jahre gibt es dafür von der Berlin University Alliance und der Einstein Stiftung – bis hierhin hört sich das nach einem üblichen Vorzeigeprojekt an: Viel Geld, große Expertise, eine Vielzahl an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Und doch ist es diesmal anders, weil die wichtigsten wissenschaftlichen Player der Hauptstadt gemeinsam an dieser Aufgabe arbeiten. Ein transdisziplinäres Forschungsteam von Klimaforschung bis Rechtswissenschaft, das Mitarbeitende von der Humboldt-Universität, der Freien Universität, der Technischen Universität und der Charité vereint, plus Expertinnen und Experten aus den Kommunen und Behörden, Umwelt-NGOs, den Wasserbetrieben – und auch die Allgemeinbevölkerung soll involviert werden.

Berlin und Brandenburg gehören zu den trockensten Regionen Deutschlands

Die großen Probleme könne man letztendlich nur gemeinsam angehen, betont Niewöhner, Co-Sprecher der Research-Unit. CliWaC solle stellvertretend für eine Forschung stehen, die sich um die Zukunft der ganzen Gesellschaft kümmert. „Was machen wir, wenn sich in den nächsten Jahren die Region verändert, wenn das Klima schwankt, wie mit Trockenheit und Starkregen umgehen?“ Für diese Fragestellungen eignet sich die Region Berlin-Brandenburg als Forschungsobjekt besonders, da sie zu den trockensten Deutschlands gehört. Nun sorgt der Klimawandel dafür, dass diese schon grenzwertige Region noch mehr unter Druck gerät. Es wird öfter Dürreperioden geben und die Natur wird weniger Zeit haben, sich zu erholen. Parallel steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu mehr Starkregenereignissen kommt, also Unmengen von Wasser in kurzer Zeit fallen, welches nicht mehr in die harten, vertrockneten Böden versickern kann. Die Wassermassen fließen dann oberirdisch ab und sorgen für Überschwemmungen.

Im Rahmen von CliWaC werden drei Gebiete unter die Lupe genommen – alle stehen exemplarisch für eine Fragestellung: Der Groß Glienicker und der Sacrower See werden fast vollständig aus Grundwasser gespeist und hier sinken die Wasserstände wegen langer Trockenperioden. Im zweiten Fallbeispiel konzentriert man sich auf die Spree und deren Wassermenge und -qualität, um ein empfindliches System, das sehr langsam fließt und anfällig für jegliche Veränderung ist, zu verstehen. Als drittes Modell dient die Hauptstadt unter dem Einfluss von Starkregenereignissen. Hier braucht es Ideen zur Anpassung der Infrastruktur, damit Berlin mit plötzlich auftretenden Wassermassen umgehen kann.

Die Panke ist ein 29 Kilometer langes Flüsschen, das zu einem großen Teil durch Berlin fließt. Im Sommer 2022 war es stellenweise ausgetrocknet.

(© Falk Weiß)

Im Laufe der drei Jahre gilt es, einen natur- und sozialwissenschaftlichen Arbeitsplan umzusetzen, der von modellierten Klimaprojektionen bis hin zum Verständnis des Alltags der betroffenen Menschen reicht, um einen Umgang mit den massiven Klimaproblemen der Zukunft zu finden. „Wir wollen, dass Wissenschaft demokratisch legitimiert ist. Schließlich betreffen zukünftige Entscheidungen die ganze Gesellschaft in ihrem Kern: Wer darf wie viel Wasser in Zukunft nutzen, wer bezahlt was für die Nutzung und für die Infrastruktur“, beschreibt Niewöhner das Vorgehen.

Wie verändern wir unsere Gesellschaft natur- und sozialverträglich?

Aus diesem Grund ist ein zentraler Baustein von CliWaC die partizipative Modellierung: Auf der einen Seite entstehen hydrologische Modelle, die auf einem naturwissenschaftlichen regionalen Verständnis von Wasser basieren und dessen Einfluss auf Ökosysteme und Landschaft, Grundwasser und Seen. Hieraus leiten die Expertinnen und Experten Projektionen für die Zukunft ab. Auf der anderen Seite sollen aber nicht nur die Wertungen der Forschenden in diese Modelle fließen, sondern der Prozess wird geöffnet, damit unterschiedliche Stakeholder wie Wasserbetriebe und Umweltverbände, aber auch die Öffentlichkeit, teilnehmen können.

Es werden also Simulationen erstellt, die mit unterschiedlichen Annahmen arbeiten – etwa Wünschen aus der Allgemeinbevölkerung wie: Ich möchte Mais anbauen, ich möchte einen Whirlpool haben, ich möchte meinen Rasen sprengen. Durch den Einfluss dieser Bedürfnisse kalibriere sich das Modell neu, so dass mit diesem dann in der Öffentlichkeit über mögliche Versionen der Zukunft diskutiert werden könne, erklärt Niewöhner. Auf diese Weise kann unterschiedliches Verhalten und dessen Auswirkung auf den Wasserhaushalt beobachtet werden – mit einer wichtigen roten Linie: Bis wann reicht das kostbare Gut überhaupt für alle?

Prof. Dr. Jörg Niewöhner ist Co-Sprecher des Forschungsprojekts CliWaC

(© Falk Weiß)

Von diesem Ansatz erhofft sich der CliWaC-Co-Sprecher, dass unsere Gesellschaft in der Lage sein wird, „Veränderung by Design und nicht Veränderung by Disaster“ herbeizuführen. Die Modelle könnten zu einer Grundlage werden, um vor möglichen einschneidenden Ereignissen vernünftig zu handeln. „Mit Gegenmaßnahmen wie einer Veränderung der Baummischung in Wäldern oder einer Umstellung der Landwirtschaft. Aber auch, um darüber zu reden, wie wir unsere Gesellschaft natur- und sozialverträglich verändern können.“ Sollte das nicht gelingen, sieht Niewöhner ein schwierige Zukunft voraus: Es wird umfassende Verbote und Verteilungskonflikte geben, die Gefahr von gesellschaftlichen Spannungen nimmt zu.

„Wir müssen darüber diskutieren, wie wir uns anpassen können, was das kostet, wer gewinnt und wer verliert. Und wie man in diesen Fällen für Ausgleich sorgen kann“, fasst der Anthropologe zusammen, was auf uns alle im Zuge des Klimawandels zukommen wird. Beispielhaft soll auch dies in den Modellregionen passieren – CliWaC wird die ansässigen Menschen direkt ansprechen. „Wir kommen auf Sie zu“, verspricht der Forscher. Unter anderem mit Vorstellungen des Theater des Anthropozän, einer Initiative der Humboldt-Universität, die Kunst, Wissenschaft, und Zivilgesellschaft zusammenbringt, und einer Reihe von Forschungsprojekten, die die Bevölkerung aktiv mit einbezieht.

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