Neue Ideen (nicht nur) für den Spreewald

Expedition: Nachhaltige Landnutzung
Projektname: Ginkoo

„Wie werden aus Nischenideen für komplexe Problemstellungen nachhaltigere Landmanagementlösungen – und wie werden die auf dem Markt und bei den Verbrauchern akzeptiert? Das begleiten wir mit unserer Forschung. So lernen wir die typischen Herausforderungen kennen, die gewissermaßen hinter der eigentlichen Lösung liegen.“
Projektleiterin Dr. Bettina König, Humboldt-Universität zu Berlin

Ein Team aus Forscher:innen und lokalen Akteur:innen bei einer Exkursion in den Spreewald

Ein Team aus Forscher:innen und lokalen Akteuren bei einer Exkursion im Spreewald

(© Foto: Tamara Schaal)

Land ist neben Wasser eine unserer wichtigsten Ressourcen: Es ist Lebensraum, Ernährungsgrundlage und Heimat zugleich. Wird es nicht nachhaltig genug genutzt, kann das teils schwerwiegenden Folgen für Boden, Flora und Fauna mit sich bringen. Besonders die konventionelle landwirtschaftliche Nutzung steht oft wegen unerwünschter ökologischer und sozialer Nebeneffekte im Fokus der Öffentlichkeit und wird kritisch diskutiert.
Dabei existieren längst nachhaltigere Ideen und Lösungen, nicht nur im Ökolandbau. Diese werden jedoch oft nicht großflächig angewandt und erreichen als „Nischenlösungen“ kaum Marktrelevanz. Genau hier setzte von 2014 bis 2019 die interdisziplinäre Innovationsgruppe „ginkoo“ an: Forscherinnen und Forscher aus der Agrarökonomie, den Gartenbauwissenschaften, der Geografie, den Wirtschaftswissenschaften, dem Nachhaltigkeitsmanagement und weiteren Fachgebieten widmeten sich der Frage, wie diese Nischenlösungen eine größere wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung erfahren können.

Um diese Frage zu beantworten, begleiteten die Forschenden von „ginkoo“ zwei Praxisbeispiele im Land Brandenburg. So arbeiteten die Forscher:innen fünf Jahre lang sowohl mit Akteur:innen im Spreewald sowie dem Regionalprojekt Zweinutzungshuhn zusammen, um Werkzeuge für die Entwicklung innovativer Lösungen für ein nachhaltiges Landmanagement zu finden.

Nasse Wiesen und Horstacker im Spreewald

Nasse Wiesen und Horstacker im Spreewald

(© Michael Petschick)

Modellprojekt 1: Pflege der Spreewälder Kulturlandschaft

„Der Spreewald ist besonders für die charakteristische Kulturlandschaft mit den typischen Feuchtwiesen bekannt. Leider haben sich die Rahmenbedingungen für die nachhaltige Nutzung dieser Feuchtwiesen in den letzten Jahren stark verändert, und eine gewinnbringende Nutzung ist inzwischen nur noch selten möglich. Viele werden aus der Nutzung genommen und verbuschen, und die von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft droht zu verschwinden. Dabei sind besonders diese Wiesen für die Artenvielfalt, das Landschaftsbild und die regionale Identität von großer Bedeutung.“ erklärt Projektleiterin Bettina König.

Hinzu kam, dass die lokalen Akteure – Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus – nicht an einem Strang zogen. Sie handelten oft unabhängig voneinander und fühlten sich von den bestehenden Austauschformaten zu wenig angesprochen. Dies führte zu mangelndem gegenseitigem Verständnis und erschwerte es, Lösungen zu finden.

Gemeinsam mit Landwirt:innen sowie Expert:innen aus Naturschutz, regionaler Verwaltung und dem Tourismus entwickelte und implementierte das Forscher:innen-Team Maßnahmen zur Landschaftspflege. Unter dem Motto „Schutz durch Nutzung“ erarbeiteten sie wirtschaftliche Modelle, technologische Ansätze und Finanzierungsinstrumente, aus denen unter anderem das ‚Entwicklungspflegekonzept Spreewald‘ hervorging.

Hühnerstall von ei care im Zweinutzungshuhn Projekt

Hühnerstall mit Zweinutzungshühnern des Projekts "ei care"

(© Lukas Wortmann)

Modellprojekt 2: Zweinutzungshühner

„Wie kann eine nachhaltige, ethischere Hühnerhaltung aussehen? Die Gesellschaft verlangt zunehmend nach Alternativen, die das Tierwohl mehr in den Fokus stellen. Glücklicherweise gibt es da auch viele Ideen und Innovationschancen – daran geknüpft sind jedoch oft zahlreiche Herausforderungen und festgefahrene Strukturen, die es aufzubrechen gilt“, führt Bettina König an. „Vor allem kleine und mittlere Akteure stehen vor der Herausforderung, Raum, Strukturen und Praktiken für innovative Lösungsansätze zu schaffen.“

Einer dieser Lösungsansätze ist die Züchtung von Zweinutzungshühnern: Sie können sowohl zum Eierlegen als auch zur Schlachtung gehalten werden. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung des Kükentötens – die Idee greift auch andere Aspekte der Nachhaltigkeit auf, wie Tierwohl, besseres Einkommen für Landwirte, umweltgerechtere Haltung und Produktqualität.

Bei dem Projekt zeigte sich schnell: Für die Weiterentwicklung des Zweinutzungskonzepts werden verschiedene Sichtweisen, Interessen, Ressourcen, und Erfahrungen unterschiedlicher Akteure aus Tierproduktion, Landmanagement und Gesellschaft gebraucht. Es geht dabei vor allem um Fragen der Wirtschaftlichkeit, denn Zweinutzungshühner legen durchschnittlich weniger Eier als übliche Legehennen-Rassen und nehmen deutlich langsamer an Gewicht zu als konventionelle Fleischrassen. Damit das Projekt sich auch finanziell trägt, müssen neue Wege der Vermarktung erschlossen werden.

Genau dort setzten die Forscher:innen an: Zahlreiche Konferenzen, Diskussionen und Dialoge mit Verbraucher:innen, Workshops, Seminare und Praxistests beschäftigten sich damit, welche Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette möglich sind, wie die Produkte gut vermarktet und im Supermarkt präsentiert werden können und wie dabei auch der Nachhaltigkeitsaspekt betont werden kann.

Bettina König bei einem Workshop

Forscherin Bettina König

(© Foto: Falk Weiß)

Innovationsnavigator

Auf Grundlage der Ergebnisse aus den Fallbeispielen entstand der ginkoo-Innovationsnavigator. Der Innovationsnavigator ist eine Toolbox mit nützlichen Werkzeugen für die Entwicklung nachhaltiger Innovationen. Die darin enthaltenen Instrumente unterstützen die verschiedenen Akteure dabei, effizient miteinander zu kooperieren, nachhaltige Lösungen zu finden und zu diskutieren und die Akzeptanz gegenüber der Innovation zu steigern. Sie unterstützen die verschiedenen Akteure aus der Landwirtschaft, dem Naturschutz, der Verwaltung oder dem Management dabei, Wissen zu nutzen, Erfolgschancen einzuschätzen und eine passende Marketingstrategie zu entwerfen. Die entwickelten und getesteten Tools sind auch auf andere Fälle anwendbar und miteinander kombinierbar.

Der ginkoo-Innovationsnavigator steht hier für Interessierte und potenzielle Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung.

Spreewald

Kanal (Fließ) im Spreewald

(© Anett Kuntosch)

Externe Links:

  • Ginkoo Innovationsnavigator
  • Projektseite Innovationsgruppe Nachhaltiges Landmanagement
  • Schäfer, M., König, B. Kuntosch, A., Richter, B., Schaal, T. (2020): Management von Innovationsprozessen für nachhaltige Entwicklung. Der ginkoo Innovationsnavigator. Ökologisches Wirtschaften 3.2020 (35). [Link zur Publikation] DOI: doi.org/10.14512/OEW350340 Fachzeitschrift
  • Busse, M., Zscheischler, J., Heitepriem, N., Siebert, R. (2019): Kulturlandschaft Spreewald und ihr Erhalt durch das Instrument Entwicklungspflegepool 2019. In: ginkoo Projektberichte, Humboldt-Universität zu Berlin. DOI: doi.org/10.18452/20901 Arbeitspapier
  • Richter, B., Busse, M., Kuntosch, A., Zoll, F., Schäfer, M., Siebert, R., Diehl, K., König, B. (2019): Innovative Lösungen für eine nachhaltige, ethischere Geflügelhaltung. Ergebnisse des ginkoo-Projekts. In: ginkoo Projektberichte, Humboldt-Universität zu Berlin. DOI: https://doi.org/10.18452/20899 Arbeitspapier

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