Die Landwirtschaft der Zukunft

Expedition: Klimaangepasste Bodenwirtschaft

Projekt: Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften

Wie sieht eine effiziente, umweltfreundliche Düngung aus? Kann landwirtschaftlich genutzter Boden CO2 aus der Luft binden und nachhaltig speichern? Hat die Landwirtschaft zukünftig wieder mit Phosphormangel zu kämpfen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Forscher:innen des Albrecht Daniel Thaer-Instituts für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. In bis zu hundertjährigen Feldversuchen erforschen sie, wie trotz Klimakrise mit Starkregen, Dürren und neuen Pflanzenkrankheiten die Landwirtschaft sichere und gute Erträge liefern kann.

Am Dahlemer Versuchsgelände stehen alte Backsteingebäude, große Gewächshäuser und rund 200 Parzellen von 20 bis 30 Quadratmetern. Hier auf dem Berliner Sandboden wachsen Roggen, Weizen, Gerste und viele weitere Kulturpflanzen. Agrarwissenschaftler:innen der Humboldt-Universität bauen diese auf den Versuchsfeldern an und beobachten Wachstum und Erträge. Wer den Blick über die Flächen schweifen lässt, bleibt am Maisfeld hängen: Die Pflanzen changieren auffällig in Farbe und Größe. In den vorderen Reihen sind die Pflanzen nur hüfthoch gewachsen, ihre gelbgrünen Blätter haben braune Ränder und sehen kränklich aus. Hinter ihnen ragt der Mais mehr als zwei Meter hoch und strotzt in einem kräftigen Dunkelgrün. Timo Kautz, Leiter des Fachgebiets Pflanzenbau am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften, betrachtet die kleineren Pflanzen und erklärt: „Das sind schon deutliche Mangelerscheinungen.“ Mit dem Versuch wollen die Forscher:innen herausfinden, wie sich unterschiedliche Düngungen auf Pflanze und Boden auswirken. Timo Kautz tastet zwischen den Blättern einer gesunden Pflanze nach dem haarigen Griffel. „Diese Pflanze haben wir mit Stickstoff gedüngt, sie hat bereits einen zarten Kolben angelegt. Bei den kleineren rechne ich nicht mehr damit“. Diese wurden zuvor nicht gedüngt.

Verändertes Klima, veränderte Düngung

Michael Baumecker ist Leiter der Lehr- und Forschungsstation Pflanzenbauwissenschaften, die neben Dahlem noch einen zweiten Standort südlich von Berlin im brandenburgischen Thyrow hat. Er sagt: „Wenn die Pflanzen durch den Klimawandel nicht mehr so wachsen wie früher, weil die Niederschläge fehlen, dann sollten wir mit der Düngung auch nicht einfach so weitermachen wie bisher. Denn mit weniger Regen können die Pflanzen sie nicht mehr in der gleichen Weise aufnehmen – und dann auch nicht mehr ertragswirksam umsetzen.“ Das wiederum bedeutet, dass überschüssiger Stickstoff im Boden verbleibt. Am Ende gelangt dieser als Nitrat ins Grund- und Trinkwasser oder als Gas in die Atmosphäre. „Unsere Ergebnisse zeigen sehr deutlich: Um eine größere Effizienz der Stickstoffdüngung anzustreben, müssen wir deutlich mit den Intensitäten der Düngung heruntergehen im Vergleich zu dem, was heute in der Praxis üblich und nach der jetzigen Düngeverordnung erlaubt ist.“ Die Agrarwissenschaftler:innen arbeiten daran, die optimale Menge zu ermitteln.

Am Maisfeld lassen sich die unterschiedlichen Auswirkungen der Düngung beobachten. (© Falk Weiß)

Der Klimawandel führt dazu, dass sich die Nahrungsmittelproduktion in Europa verschlechtert. Wie könnte eine angepasste Düngung aussehen, die einerseits genug Ertrag bringt, um Hunger vorzubeugen und andererseits die Umwelt möglichst wenig belastet? Das ist eine der Fragen, denen Timo Kautz und sein Team nachgehen. „Und sie ist brandaktuell und sehr politisch“, sagt Timo Kautz. „Die Düngeverordnung wird regelmäßig novelliert und ist immer wieder ein großer Streitpunkt. Weil wirtschaftliche Interessen und Forderungen nach hohen Düngemengen dem Umwelt- und Klimaschutz entgegenstehen. In welchem Rahmen sich eine sinnvolle Düngung bewegen muss, damit wir diese entgegengesetzten Ziele unter einen Hut bekommen, genau dafür kann unsere Forschung wertvolle Hinweise liefern.“

Mineralischer Stickstoff aus erneuerbaren Energien

Ein wichtiges Ergebnis ihrer Forschung: Felder, die die Forscher:innen mit dem mineralischen Dünger Stickstoff versorgt haben, brachten fünf Mal höhere Erträge als Felder, die nur mit organischem Dünger wie Gülle oder Kompost gedüngt wurden. Der Vorschlag, den Michael Baumecker daraus ableitet: Wir brauchen mineralischen Stickstoff. Er sollte aber nicht aus fossiler Energie hergestellt werden, sondern aus erneuerbaren Energien. „Wir müssen uns um eine nachhaltige Intensivierung der Flächen kümmern. Der Begriff der ,sustainable intensification' zeigt den Weg auf, wie man in Zukunft die immer größer werdende Zahl an Menschen mit Lebensmitteln versorgen kann.“

Die Forscher:innen untersuchen, wie sich die Bearbeitung des Bodens auf die Erträge auswirkt. (© Falk Weiß)

Eine Bodenwirtschaft, die CO2 bindet

Die Forscher:innen untersuchen auch, wie sich verschiedene Pflugtiefen, Fruchtfolgen, die Kalkung oder Bewässerung der Böden auf die Erträge und ihre Qualität auswirken. Sie lassen Drohnen über den Versuchsfeldern aufsteigen, um Aufnahmen mit Spezialkameras zu machen. Die zeigen, wie die Pflanzen sich entwickeln. Sie messen, welche Mengen an klimarelevanten Gasen der Boden emittiert. Denn je nach Bearbeitung kann der landwirtschaftliche Boden klimaschädliche Gase wie Kohlenstoffdioxid freisetzen oder klimaschützend binden „Wir wollen ja verhindern, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre durch den Pflanzenbau überproportional stark steigt“, sagt Timo Kautz. „Also müssen wir unbedingt lernen, wie wir es schaffen, dass CO2 nicht emittiert wird oder wie wir idealerweise sogar CO2 aus der Atmosphäre im Boden binden können. Es kommt auf die Bodenbearbeitungsmaßnahmen an, in welche Richtung es geht.“

Die Frage ist also: Wie muss der Boden bewirtschaftet werden, um möglichst viel Kohlenstoff zu binden? „Es ist unglaublich schwierig, diese Wirkungen abzubilden und zu verstehen, weil es sehr langfristige Prozesse sind“, erklärt Timo Kautz. Denn Kohlenstoff wird teilweise nur sehr langsam umgesetzt. „Das erfordert langjährige Messreihen, um zu sicheren Aussagen zu kommen. Und da kommen unsere Dauerfeldversuche ins Spiel.“ Die Humboldt-Universität ist eine der wenigen Hochschulen in Deutschland, die über sehr lange, viele Jahrzehnte andauernde Versuchs- und Datenreihen verfügt. Der älteste Versuch ist hundert Jahre alt – eine Rarität. „Unsere Dauerfeldversuche sind geradezu prädestiniert dafür, sehr langfristige Effekte zu erfassen“, sagt Timo Kautz. „Das ist von riesengroßem Wert für die Wissenschaft. Durch sie können wir prognostizieren, in welche Richtung sich die Erträge entwickeln werden.“

Der älteste Dauerfeldversuch am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften ist hundert Jahre alt – ein wahrer Schatz für die Forschung. (© Falk Weiß)

Ein hundertjähriger Feldversuch

Das Maisfeld hatten Forscher:innen der Humboldt-Universität vor siebzig Jahren angelegt. Auf dem Feld des hundertjährigen Versuches haben die Forscher:innen langstieligen Winterroggen angebaut. „Roggen ist das klassische Getreide für weniger gute Standorte wie unsere sandigen Böden hier in Berlin und Brandenburg.“ Timo Kautz geht zum Dauerfeldversuch D III herüber, dem Roggenfeld, wenige Meter entfernt von den Maisparzellen. Die ockerfarbenen Halme stehen dicht und knistern sanft im Wind. An manchen Stellen haben sie sich nach einem Regenguss flachgelegt. Der Professor für Pflanzenbau greift eine besonders dicke Ähre heraus und biegt sie auseinander. Er prüft, wie reif die Körner sind und ob er Pilzbefall entdecken kann. Hier beim Winterroggen vergleichen die Forscher:innen verschiedene Bodenbearbeitungsmaßnahmen miteinander.

Anders als bei den Maispflanzen sind beim Winterroggen mit bloßem Auge keine Unterschiede zu erkennen: Alle Halme sind gleich hoch und kräftig. Das war aber nicht immer so. Im Frühjahr noch hatte sich der Roggen, der auf einer tiefen, gelockerten Ackerkrume gepflanzt worden war, besser mit Nährstoffen versorgen können als der auf weniger tiefen Krumen. Daher ist er auch kräftiger gewachsen. Mit der Zeit aber konnten die anderen Pflanzen ihren Entwicklungsrückstand aufholen. „Wir haben keine Unterschiede im Ertrag gefunden“, sagt Timo Kautz. „Aber genau das ist ein wichtiges Ergebnis. Denn das bedeutet: Wir können unter diesen Bedingungen das Pflügen reduzieren.“ Weniger Bearbeitung ist auch nachhaltiger: Energie wird eingespart und Bodengefüge und Abbauprozesse werden nicht gestört.

Timo Kautz ist Leiter des Fachgebiets Pflanzenbau am Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität. (© Falk Weiß)

Antworten auf die Probleme der Zukunft

Neben der Bodenbearbeitungstiefe experimentieren die Forscher:innen hier auf den Dauerfeldversuchen auch mit anderen Bearbeitungsmaßnahmen. „Wir haben hier noch einen Boden mit Phosphormangel vor uns“, erklärt Timo Kautz. „Die findet man heute nicht mehr, da in der Landwirtschaft durchgängig mit Phosphor gedüngt wurde.“ Auf dem Ackerstück können neue, wichtige Forschungsfragen geklärt werden. Heute ist Phosphormangel kein Problem der Landwirtschaft mehr - er könnte aber wieder zum Problem werden, da die Phosphorvorräte der Erde schwinden. Die Agrarwissenschaftler:innen der Humboldt-Universität in Dahlem haben die seltene Chance, einen Acker, der hundert Jahre lang nicht mit Phosphor gedüngt wurde, mit einem Acker zu vergleichen, der hundert Jahre lang mit Phosphor gedüngt wurde.

So können sie die Dauerfeldversuche der Humboldt-Universität immer wieder für aktuelle Fragen heranziehen. „Das ist ein unersetzlicher Schatz für die Forschung“, sagt Timo Kautz. „Phänomene von heute - wie abnehmende Biodiversität oder klimaschädliche Gase - hatten die Forscher vor hundert Jahren noch nicht auf dem Schirm. Und so werden auch in Zukunft sicher Fragen aufkommen, an die heute noch niemand denkt.“ Dann werden Forscher:innen der Humboldt-Universität die wertvollen Daten der Dauerfeldversuche durchpflügen – auf der Suche nach Antworten auf neue Probleme.

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