„Es reicht nicht, wenn Unternehmen im Rahmen freiwilliger Selbstverpflichtungen für Nachhaltigkeit sorgen“

Internationale Handelsfirmen haben enormen Einfluss darauf, wie sich Landnutzung verändert. Zum Beispiel, wenn wichtige Ökosysteme wie Regenwälder (Amazonas), Savannen (Cerrado) und Feuchtgebiete (Pantanal) in Brasilien in Sojaanbauflächen umgewandelt werden. Das wussten wir schon immer.

Aber wie genau funktioniert die Lieferkette beim Handel mit Soja? Soja ist das weltweit am meisten gehandelte landwirtschaftliche Erzeugnis und wird als Futtermittel und als Biokraftstoff verwendet. In meiner Fallstudie betrachte ich das gesamte Lieferketten-Netzwerk in Brasilien. Eingebunden darin sind mehr als 450 Gemeinden, zahlreiche Lobbyisten, Landwirte, Logistikunternehmen, Getreidemakler und mehr als 1.800 Handelsunternehmen, die Sojabohnen hauptsächlich nach China und auf dem europäischen Markt verkaufen. Ich möchte diese komplexen Netzwerke entwirren und die sozialen Beziehungen verstehen, die den Handelsbeziehungen zugrunde liegen. Deshalb spreche ich mit sämtlichen Akteuren.

Mein Ziel ist es, die Risiken und die Potenziale zu verstehen, die in diesen Beziehungen liegen. Mithilfe der mathematischen Netzwerkanalyse entwickle ich auch eine Methode, um Netzwerk-Beziehungen zu messen und die entstehenden Beziehungsmuster zu quantifizieren. Wenn man die Lieferketten der Unternehmen betrachtet, stellt man fest, dass sie ihre Ware auf unterschiedliche Art und Weise beschaffen.

Cargill zum Beispiel, ein internationales Handelsunternehmen mit Sitz in den USA, ist im Vergleich zu anderen, kleineren Händlern einigermaßen beständig in seinen Beschaffungsaktivitäten. Das heißt, Cargill kauft seit Jahrzehnten regelmäßig bestimmte Mengen Sojabohnen in mehr oder weniger denselben Regionen und von denselben Landwirten in Brasilien. Wir nennen dieses Verhalten „Stickiness“. Andere Unternehmen kaufen dagegen immer wieder an anderen Orten und bauen keine stabilen Beziehungen auf. Die Frage ist daher, ob „Stickiness“ und eine zuverlässige Kundenbeziehung zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt oder nicht. Und was bedeutet das Gegenteil, also „Non-Stickiness“, in Bezug auf Nachhaltigkeit? Welche Nebenwirkungen oder Spillover-Effekte treten auf, wenn Unternehmen entweder von Ort zu Ort ziehen oder Strukturen an einem Ort aufbauen?

Meine Hypothese ist, dass es nicht ausreicht, wenn Unternehmen im Rahmen freiwilliger Selbstverpflichtungen für Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten sorgen. Wir werden es nicht den Unternehmen selbst überlassen können, sich mit Problemen wie dem Artensterben und der Klimakrise auseinanderzusetzen. Was wir brauchen sind politische Entscheidungen und starke öffentliche Instanzen, die festlegen, was Unternehmen in Bezug auf ihr Beschaffungsverhalten gestattet ist und was nicht. Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen der Europäischen Union, den Import von sogenannten waldgefährdenden Gütern (Forest Risk Commodities) – Soja zählt dazu – zu reglementieren. Mit anderen Worten: Die EU entwickelt Vorschriften, um zu verhindern, dass wir mit dem, was wir in Europa essen, weiterhin natürliche Lebensräume auf der ganzen Welt zerstören.

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