„Soziale Ungleichheiten behindern eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel“

Marina Andrijevic, Foto: Falk Weiß

Marina Andrijevic

Der Klimawandel ist nicht nur eine Frage von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen, sondern auch von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In meiner Arbeit untersuche ich, welche soziökonomischen Faktoren Einfluss darauf haben, wie gut sich eine Gesellschaft an den Klimawandel anpassen kann. Denn ob ein Land seine Bevölkerung erfolgreich vor den Folgen des Klimawandels schützen kann, hängt auch von den gesellschaftlichen Zuständen ab. Dabei geht es um finanzielle Mittel, Bildung, starke Institutionen und auch um Geschlechtergerechtigkeit.

Wenn wir besser verstehen, wie Anpassung funktioniert, können wir auch besser erkennen, wodurch sie behindert oder ermöglicht wird. In den Szenarien unserer Klimamodelle spielen wir durch, was passiert, wenn sich bestimmte Größen in den gesellschaftlichen Systemen ändern. Ein sehr oft verwendetes Instrument sind die sogenannten „Shared Socioeconomic Pathways“. Diese Szenarien, mit Zahlen unterfütterte Zukunftsvisionen und keine Vorhersagen, beschreiben fünf verschiedene Pfade sozioökonomischer Veränderungen bis ins Jahr 2100 und wie sich abhängig davon die globalen Treibhausgasemissionen oder das Bevölkerungswachstum entwickeln werden.

Ein Szenario beschreibt zum Beispiel den „Weg der Nachhaltigkeit“, auf dem sehr viel in erneuerbare Energien, Bildung und Gesundheit investiert wird. Ein anderes beschreibt den „Weg der fossil-getriebenen Entwicklung“, der massiv den technischen Fortschritt vorantreibt und dabei hohe Treibhausgasemissionen in Kauf nimmt. Ich entwickle für diese Szenarien zusätzliche Komponenten, um genauere Vorhersagen zu ermöglichen. In den Modellen ist die Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft nämlich bisher noch nicht gut abgebildet. Wenn es uns gelingt, das zu verbessern, können wir berechnen, welche Länder besonders gefährdet sind, welche Anpassungsstrategien die Klimafolgen besonders wirksam abmildern und wie sich die Gesellschaft dafür verändern muss. Es geht dabei um die nächsten Jahrzehnte. Denn der Klimawandel findet zwar bereits heute statt, aber in den kommenden Jahrzehnten wird er sich noch weiter verstärken.

Ich arbeite mit jeder Menge Daten, die andere Forschende erhoben haben oder die die Weltbank, die Vereinten Nationen und andere Organisationen bereitstellen. Mit viel Mathematik und Statistik bereite ich die Daten auf und analysiere sie. Ich schlüpfe dabei in viele Rollen: Klimawissenschaftlerin, Ökonomin, Mathematikerin, Sozialwissenschaftlerin oder Politikwissenschaftlerin. Das ist sehr herausfordernd. Ich verbringe viel Zeit damit, mich in neue Themen einzuarbeiten und weiß zugleich, dass ich keine Expertin auf jedem einzelnen Gebiet sein kann. Die Datenanalyse ist das Herzstück meiner Arbeit. Dabei zeigen sich die Beziehungen, mit denen sich die manchmal überraschenden Wechselwirkungen zwischen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Klimaentwicklung erklären lassen.

Ein Thema liegt mir dabei besonders am Herzen – das der Geschlechtergerechtigkeit. Gerade die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau verbindet man vielleicht nicht gleich mit dem Thema Klimawandel. Wir wissen aber aus verschiedenen Studien, dass Frauen stärker vom Klimawandel betroffen sind als Männer. Der Grund dafür sind die sozialen Normen und Strukturen, in denen wir uns bewegen. Frauen haben in vielen Ländern einen weniger guten Zugang zu Bildung, haben eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten und weniger Einkommen. Sie sind häufig für die Hausarbeit und Pflege der Angehörigen verantwortlich – und damit für Arbeiten, die nicht bezahlt werden. Als Konsequenz kann sich eine Frau dann vielleicht kein teures Saatgut für hitze- oder krankheitsresistente Pflanzen leisten, obwohl das ihren Lebensunterhalt sichern könnten. Diese Ungleichheiten stehen einer Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Wege – und das betrifft die gesamte Gesellschaft. Denn wenn die halbe Population benachteiligt wird, hat das auch Folgen für alle anderen. Es ist wichtig, solche Zusammenhänge zu erkennen.

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