„Anpassung an den Klimawandel hat Grenzen“

Olivia Serdeczny, Foto: Falk Weiß

Olivia Serdeczny

Ich habe Philosophie studiert und bin über einen kleinen Umweg zur Klimaforschung gekommen. Den Ausschlag dafür hat ein interdisziplinäres Seminar über die Ethik des Geoengineering am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gegeben, das von einem Physiker und einem Philosophen gestaltet wurde. Hier habe ich gemerkt, dass mir die Naturwissenschaften im Studium immer etwas gefehlt haben. Ich war so fasziniert von den Seminarinhalten, der Klarheit der Physik und den Diskussionen um die Gerechtigkeitsfragen, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, dass ich beim Thema geblieben bin.

Für mich ist der Klimawandel eine Gerechtigkeitsfrage. Wer trägt die Verantwortung für die Emissionen und auch für die Folgen? Und wer sollte letztlich für die Schäden aufkommen? Die reichen Industrienationen sind für einen Großteil der CO2-Emissionen und damit für den Temperaturanstieg verantwortlich. Die Entwicklungsländer werden zukünftig aber besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen sein – wegen ihrer geografischen Lage, der wirtschaftlichen Struktur und auch der fehlenden Mittel zur Anpassung.

Der Faktor Zeit ist dabei sehr wichtig. Um sich an den Klimawandel anzupassen, benötigen die Länder Jahrzehnte. Die dafür notwendigen Strukturen – eine stabile Politik, gute Bildung, Expertise oder Geschlechtergerechtigkeit – lassen sich nicht von heute auf morgen installieren. Es ist auch nicht fair, das zu erwarten. Das muss anerkannt werden. Das Pariser Klimaabkommen kann dafür auch einen institutionellen Rahmen bieten. Bisher sind die Einschätzungen zu den Grenzen der Anpassung aber noch zu undifferenziert und werden in den Verhandlungen kaum thematisiert. Auch die Forschung muss noch viele Wissenslücken dazu schließen, wovon die Anpassungsfähigkeit in Zukunft abhängt und wie sie sich entwickeln wird.

Außerdem gibt es Schäden, die sich schlicht nicht vermeiden lassen. Die betroffenen Staaten sprechen von „Loss and Damage“ – also Verlust und Schaden. Der ansteigende Meeresspiegel und damit einhergehender Landverlust sind für Inselstaaten beispielsweise nicht zu verhindern. Politisch ist diese Debatte nicht ganz einfach, weil es keinen Konsens darüber gibt, welche Klimafolgen wie stark durch Anpassung abgemildert werden können und wer für ein „Versagen“ der Anpassung die Verantwortung trägt. Während Gelder für Anpassungsmaßnahmen bereits fließen, sind Kompensationszahlungen für nicht vermeidbare Klimaschäden politisch sehr heikel und werden nicht offen diskutiert.

In meiner Promotionsarbeit untersuche ich, welche Argumente wissenschaftliche Erkenntnisse liefern können, um die Positionen der besonders gefährdeten Länder in den Klimaverhandlungen im Bereich „Loss and Damage“ zu stärken. Grundlage dafür sind die Ergebnisse der sozioökonomischen und naturwissenschaftlichen Analysen unserer Forschungsgruppe und meine Beobachtungen und Gespräche bei den Klimaverhandlungen.

Seit fünf Jahren bin ich regelmäßig bei den internationalen Klimakonferenzen als Beraterin der Inselstaaten und Entwicklungsländer vor Ort. Mich interessiert besonders, welchen Einfluss wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten auf die Verhandlungen haben und welche Strategien die einzelnen Länder benutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Eigentlich haben alle Länder die gleichen Rechte und können mit ihrem Veto alle Entscheidungen eines Abkommens blockieren. Das geschieht aber selten. Reichtum, militärische Stärke, diplomatischer Druck oder finanzielle Abhängigkeiten haben in diesem Kontext eine enorme Bedeutung – meist zum Vorteil der reichen Nationen. Ich schaue mir an, welche Hebel die ärmeren Staaten haben und wie sie diese benutzen könnten.

Dass es sich wirklich lohnen kann, in den Verhandlungen stark zu bleiben, zeigte in der Vergangenheit die Gruppe der G77+China – ein Zusammenschluss von fast allen Entwicklungsländern. 2012 und 2013 nutzte diese Koalition ihre Macht und erzwang in den „Loss and Damage“-Verhandlungen in letzter Minute einen institutionellen Mechanismus zum Umgang mit Schäden durch Klimawandel. Ich versuche mithilfe von Positionspapieren, Interviews und Protokollen zu rekonstruieren, welche Bedingungen damals dazu geführt haben. Meine These ist, dass Argumente die Positionen von Entwicklungsländern indirekt gestärkt haben, indem sie gute Gründe für ein Beharren lieferten und es legitimierten. Denn wenn ich weiß, dass ich recht habe und das auch gut begründen kann, verhalte ich mich anders und gebe nicht so schnell nach.

Gerade die Interessen der ärmeren Länder werden künftig an Gewicht gewinnen. Wenn die Schäden weiter zunehmen, wird man nicht mehr wegschauen können. Auch die Grenzen der Anpassungsfähigkeit treten mit dem Fortschreiten des Klimawandels immer deutlicher zutage. Potenzielle Geberländer werden auch ein zunehmend stärkeres Eigeninteresse daran haben, die Klimafolgen in Entwicklungsländern abzupuffern. Denn wenn Existenzgrundlagen wegbrechen, verlassen die Menschen ihre Heimat und machen sich auf den Weg in reichere Nationen.

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